SDU
Structural Dynamics Unit

Von der Strukturanalyse zur Lebensdauerprognose

Objekte, die Brücken überqueren, versetzen diese in Schwingung. Die Structural Dynamics Unit erforschet wie sich diese Schwingungen auf Züge, Kraftfahrzeuge oder Fußgänger rückkoppeln und entwickelt daraus Messverfahren und Berechnungsmodelle der Zukunft.

Steven Lorenzen,
Nachwuchsgruppenleiter Strukturmechanik

Brücken sind so prägend, dass ihr Bau zum Sprachbild für die Überwindung von Hindernissen geworden ist. Seit der Antike verbinden sie Ufer, Menschen und Kulturen. Sich verändernde Belastungen dieser Bauwerke erfordern immer neue Analyseverfahren und Berechnungsmodelle.

Innovationsallianz DB & TU Darmstadt

Bisher werden Daten aus Monitoringsystemen an Bauwerken (vornehmlich Brücken) zur bautechnischen Bewertung und Instandhaltungsmaßnahmen jener Strukturen genutzt. Analog dienen an Fahrzeugen installierte Sensorsysteme der Überwachung von fahrzeugtechnischen Komponenten und der Gleisanlage. Inhärent werden mit den jeweiligen Sensorsystemen jedoch Daten gesammelt, die weitere Informationen enthalten: Ein instrumentierter Zug überfährt auf seiner Fahrt eine Vielzahl an Brücken und über eine instrumentierte Brücke fahren eine Vielzahl an Zügen.

Projektziel

Es soll ein digitales Werkzeug für die in-situ Überwachung von Eisenbahnbrückenbauwerken im Rahmen eines sensordatengestützten Predictive Maintenance Konzepts unter Verwendung eines BIM-integrierten Digitalen Zwillings (Digital Twin) und auf Basis der Künstlichen Intelligenz entwickelt, implementiert und validiert werden. Kernziel ist die Entwicklung eines Templates für eine hochgradig automatisierte und verbesserte Aussage zur Zustandsbewertung (Resonanzgefährdung, Tragsicherheit, Restlebensdauer) von bestehenden Eisenbahnbrücken.

Durchführung

Die durch das dynamische Monitoring gewonnenen Zustandsdaten werden durch eine automatisierte und kontinuierliche Aktualisierung des Ist-Zustands des Digitalen Zwillings berücksichtigt. Basierend auf den Zustandsdaten entscheidet eine Künstliche Intelligenz, unter Berücksichtigung mechanischer Zusammenhänge der Struktur, über eine notwendige Anpassung der Strukturmodelle (Brücke und Fahrzeug) an den Ist-Zustand (Strukturidentifikation, Systemkalibrierung).

Ein neues Lastmodell wird benötigt, da die aktuellen Normen für den Entwurf und die Bewertung von Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnbrücken eine Reihe neu entwickelter Eisenbahnfahrzeuge nicht abdecken, die innovative Achsanordnungen aufweisen und schneller und schwerer sind als die Fahrzeuge, die für die Entwicklung der aktuellen Lastmodelle berücksichtigt wurden. Daher muss ein parametrisches Hochgeschwindigkeits-Lastmodell entwickelt werden, damit Lücken des aktuellen Modells geschlossen werden und zukünftige Anpassungen des Modells an Entwicklungen in der Schienenfahrzeugindustrie möglich sind.

Aktueller Stand und Arbeitspakete

Das erste Arbeitspaket Aktuelle Standards in Wissenschaft und Technik wurde im Januar-März 2020 abgeschlossen. Nun arbeiten die Projektpartner an den folgenden Arbeitspaketen:

Konzeptionierung eines Lastmodells nach Analyse bisheriger Ansätze (April 2020 – April 2022). Es wird ein allgemeines Lastmodell erstellt, mit dem alle zentralen Faktoren abgebildet werden können und das offen für mögliche Anpassungen in der Zukunft ist (z. B. längere Züge, andere Radsatzfolgen). Wenn es sinnvoll ist, unterschiedliche Berechnungsformeln für verschiedene Verkehre zu verwenden, können mehrere Ansätze erstellt werden. Ziel muss es jedoch sein, möglichst wenige Einzelkomponenten zu haben, die die gesamte Belastung aus der Nutzung darstellen können.

Vereinfachung des Belastungsmodells für eine Plausibilitätsprüfung (Februar 2021 – Juli 2022). Dynamische Berechnungsmodelle können nur bedingt abgeschätzt werden und erlauben daher keine intuitive Validierung der numerischen Berechnung. Es muss daher eine Möglichkeit gefunden werden, die Berechnungsergebnisse zumindest qualitativ zu bewerten und auf Plausibilität zu prüfen. Dies kann z. B. durch eine anwenderfreundliche Vereinfachung der entwickelten Lastmodelle zur Plausibilitätsprüfung und durch die Entwicklung eines zusätzlichen vereinfachten Prüfverfahrens erfolgen.

Konzeption und Durchführung einer Validierung (August 2020 – Dezember 2022). Validierung der Modelle und Entwicklung eines standardisierbaren Konzepts für die Definition der neuen dynamischen Lastmodelle und der detaillierten und vereinfachten Berechnungsmodelle sowie deren Anwendungsgrenzen werden vorgestellt.

  • TU Darmstadt (TUDa, Germany)
  • KU Leuven (Belgium)
  • Austrian Institute of Technology (AIT, Austria)
  • REVOTEC (Austria)
  • iSEA Tec (Germany)

Motiviert durch immer höhere architektonische Anforderungen gibt es im Bauwesen einen aktuellen Trend, schlankere und leichtere Bauwerke mit größeren Spannweiten zu entwerfen und zu bauen. Bei Bauwerken, die der menschlichen Fortbewegung ausgesetzt sind (z.B. Fußgängerbrücken), führt dies häufig zu überhöhten fußgängerinduzierten Bauwerksschwingungen. Dies hat zur Folge, dass der Mensch seine Gangart an die Schwingungen der darunter liegenden Struktur anpassen muss, um das Gleichgewicht zu halten. Im Gegenzug beeinflussen die Veränderungen des Gangs die Reaktion der Struktur, was zu einer kontinuierlichen Interaktion zwischen Mensch und Struktur führt. Die heute üblichen biomechanischen Gangmodelle können jedoch die Reaktion des Menschen beim Gehen auf einer flexiblen Struktur nicht vorhersagen, da die zugrundeliegenden Mechanismen, wie der Mensch mit schwingenden Strukturen interagiert, immer noch unklar sind. Darüber hinaus berücksichtigen die aktuellen Modelle, die in der Konstruktion verwendet werden, nicht die Interaktion zwischen dem Menschen und den Strukturen, was zu unsicheren Strukturen oder im Gegenteil: zu überdimensionierten und unästhetischen Strukturen führen kann. Daher gibt es einen kritischen Bedarf aus beiden Wissenschaftsbereichen (Biomechanik und Bauingenieurwesen) für ein besseres Verständnis der biomechanischen Anpassung des Menschen beim Gehen auf erregbaren und vibrierenden Strukturen.

Ziel des Projekts

Das Ziel des Projektes ist die Entwicklung und Validierung verbesserter biomechanischer und struktureller Belastungsmodelle zur Beschreibung und Untersuchung des menschlichen Gehens auf schwingenden Strukturen. Dieses Ziel wird durch ein interdisziplinäres Forschungsprojekt der TU Darmstadt unter Einbeziehung der Sportbiomechanik (Prof. Seyfarth, LL) mit spezifischen Kenntnissen zu den biomechanischen Modellen und der Statik (Prof. Schneider, ISMD) mit spezifischen Kenntnissen zur Strukturdynamik erreicht.

Ausführung

In dieser Forschung werden wir die experimentellen Daten von menschlichen Teilnehmern, die auf schwingenden Strukturen und (zum Vergleich) auf steifen Strukturen gehen, sammeln und analysieren. Die Experimente beinhalten die Erfassung sowohl der biomechanischen als auch der strukturellen Antworten. Basierend auf den Ergebnissen der experimentellen Untersuchungen werden erweiterte biomechanische Modelle mit unterschiedlichem Detaillierungsgrad für das Gehen auf flexiblen Strukturen zur Simulation entwickelt. Anschließend werden die entwickelten Gangmodelle in die Strukturanalyse implementiert. Es werden umfangreiche Vergleiche zwischen den Messungen und Simulationen durchgeführt. Dies wird es ermöglichen, minimale Modellanforderungen sowohl für die Gang- als auch für die Strukturmodelle in Bezug auf den Detaillierungsgrad zu formulieren. Schließlich erwarten wir, ein mechanisches Modell zur Vorhersage von fußgängerinduzierten Schwingungen unter Berücksichtigung der Mensch-Struktur-Interaktion und ein Gangmodell zur genauen Simulation der menschlichen Reaktion beim Gehen auf schwingenden Strukturen vorzuschlagen. Die Funktionalität des vorgeschlagenen biomechanischen Modells soll an einer weichen aktiven Beinorthese demonstriert werden.

Brückenbauwerke müssen in bestimmten Inter-vallen einer Bewertung hinsichtlich ihrer Restlebensdauer unterzogen werden. Diese hängt maßgeblich von den durch Verkehr hervorgerufenen Spannungsschwingspielen im Material und der einhergehenden Schadensakkumulation ab. Die aktuellen Ansätze zur Ermittlung der Restlebensdauer bestehender Brücken basieren auf idealisierten Lastmodellen für die Vergangenheit bzw. auf gewissen Annahmen zum zukünftigen Verkehrsaufkommen. Diese Annahmen unterliegen allerdings großen Unsicherheiten und besitzen daher i. d. R. einen stark konservativen Charakter, der zu einer verfrühten Instandsetzung des Bauwerks führen kann. Daten aus Achslastmesstellen können derzeit noch nicht für die Ermittlung der Restlebensdauer genutzt werden.

Projektziel

Kernziel dieses Projektes ist die Entwicklung eines Konzepts zur Integration vorhandener realer dynamischer Fahrzeuglasten in die Restlebensdauerbewertung von Eisenbahninfrastrukturen. Hierfür werden Daten der im europäischen Eisenbahnstreckennetz ausgeführten Achslastmessstellen sowie klassischer Strukturmonitoringanlagen verwendet. Mittels statistischer Extrapolationsmethoden und Datenfusion sollen diese in die streckenspezifische Bewertung der Restlebensdauer bestehender Brückenbauwerke in Deutschland einfließen. Es wird eine Verlängerung der Restlebensdauer der bestehenden Brückenbauwerke im Vergleich zum jetzigen konservativen Ansatz von mind. 20% erwartet und somit eine verbesserte Verfügbarkeit der Brückenbauwerke und eine hohe Ressourceneinsparung erzielt.

Durchführung

Basierend auf der Analyse von vorhandenen Daten aus Achslastmessstellen, Strukturmonitoringdaten sowie Betriebs- und Netzdaten der Infrastrukturbetreiber in Europa wird eine datenbasierte Extrapolationsmethode für Radsatzlasten im deutschen Streckennetz entwickelt. Zudem wird eine datenbasierte Methode zur kostengünstigen Ermittlung von Radsatzlasten von Eisenbahnfahrzeugen erarbeitet und validiert. Abschließend werden streckenspezifische Lastkollektive zur Berechnung der (Rest-)lebensdauer von Eisenbahninfrastrukturanlagen abgeleitet.

Leitung

  Name Kontakt
Steven Lorenzen M.Sc.
Structural Dynamics Unit
+49 6151 16-23011
L506 603

Team

  Name Kontakt
Antonia Kohl M.Sc.
Structural Dynamics Unit
+49 6151 16-23032
L5|06 607
Max Fritzsche M.Sc.
Baudynamik
+49 6151 16-20233
L5|06 109
Henrik Riedel M.Sc.
Structural Dynamics Unit
+49 6151 16-23011
L506 603
Maximilian Rupp M.Sc.
Structural Dynamics Unit
+49 6151 16-23032
L5|06 607